Astrid Windgassen-Frank > altes Eisen

Willkommen zum alten Eisen

„Es ist nicht fair! Warum leiden nur wir Frauen? Warum haben Männer nicht auch Wechseljahresbeschwerden? Und komm mir jetzt nicht mit deinem Haarausfall!“ 

Ich war fix und fertig von der letzten schlaflosen Nacht. Zwei Betten frisch bezogen, drei Hemden gewechselt, vier Küchenschubladen aufgeräumt. Dementsprechend schlecht war meine Laune am Morgen. Und da außer meinem Mann zurzeit niemand bei uns wohnt, musste er sich mein Gejammer anhören.

„Was soll ich denn tun? Östrogene schlucken, damit ich das nachfühlen kann? Ich konnte schon nicht schwanger werden. Hitzewellen kann ich dir anbieten, wenn es dich tröstet. Ich schwitze beim Sport.“ 

„Das reicht mir nicht!“ Ich blieb hart. „Wenn schon Schwangerschaft, Geburt und Klimakterium an mir hängen bleiben, dann bestehe ich darauf, dass du jetzt mal mit Vorsorge-Untersuchungen beginnst. Das Alter dazu hast du schon längst.“

„Du wirst lachen, aber ich habe selbst bereits daran gedacht. Ich werde zum Arzt gehen und mir Blut abnehmen und ein EKG machen lassen.“ 

Triumphierend und stolz über so viel Mut klopfte mein Mann sich auf seine zwei Schultern.

Unfassbar. „Nein, mein Lieber, das reicht nicht. Da musst du mir schon mehr bieten als ein bisschen Blut. Ich denke, du bist reif für eine Magen- und Darmspiegelung.“ 

Wir haben noch eine Weile verhandelt und der Deal war dann, dass ich den Anfang mache. Mein Mann wollte mich vorschicken, um zu sehen, ob man so etwas überleben kann. 

Darüber konnte ich als Frau nur lachen. Vorsorge-Untersuchungen gehören zum weiblichen Leben dazu wie Friseur, Übergangsjacke und mindestens eine beste Freundin.

Beim Facharzt

Ein paar Wochen später ging ich also zum Gastroenterologen, einem Spezialisten für Magen- und Darmerkrankungen. Ich habe ihm mein Anliegen geschildert, reine Vorsorge und so weiter. Den Teil, dass ich eigentlich meinen Mann nur ein bisschen quälen wollte, ließ ich aus. Das wäre auch eher etwas für die Psychotherapie gewesen. Niemals hätte ich zugegeben, dass mir doch ein bisschen mulmig war. 

Überzeugen konnte der Arzt für das besondere Fach mich dann mit der Aussage, dass er bei seinen Patienten auf jeden Fall die gesamte Untersuchung in einer Sitzung absolvieren würde. Außerdem tausche er nach der Magenspiegelung den Schlauch zur Darmspiegelung. Nein, da würde er auf keinen Fall auf die Kosten schauen. Für seine Patienten sei ihm nichts zu teuer. Egal, ob Privat- oder Kassenpatient! Wir haben uns zwei Wochen später zu diesem Event verabredet.

Ich verschone Sie mit Einzelheiten. Nur so viel sei verraten: Sie merken nichts. Eine Spritze zum Einschlafen, und wenn man aufwacht, ist alles vorbei. Der Friseurbesuch kann schlimmer sein. Ich kann es nur empfehlen. Vor allem meinem Mann. 

Eisenmangel ist doch kein Problem. Wirklich nicht?

Ein paar Tage später ging ich zur finalen Besprechung der Untersuchungsergebnisse in die Praxis des Gastroenterologen. Wie erhofft war alles in bester Ordnung in meinem Magen-Darm-Trakt. Der Arzt, ein bisschen unbefriedigt wegen des allzu langweiligen Befundes, riet mir dann aber noch dringend zu einer Eisen-Infusionstherapie.

„Frauen in Ihrem Alter leiden oft unter Eisenmangel. Durch die Infusion werden Sie sich deutlich vitaler und weniger müde fühlen!“

Nun bin ich medizinisch etwas vorgebildet und hatte so meine Einwände, dass es hier und da sehr unschöne allergische Reaktionen auf Eisen-Infusionen gäbe.

„NEIN! Aber doch nicht mit den neuesten Präparaten! Die sind so gut verträglich! Ich persönlich habe bisher noch nie irgendwelche allergischen Reaktionen auf Eisen gesehen. Das sind doch alles rein statistische Werte in solchen Beipackzetteln. Das wissen Sie doch auch! Kommen Sie nächste Woche Montag!“

Kommen Sie Montag? Da hätte ich schon hellhörig werden müssen! Wenn etwas schief geht in Arztpraxen und Krankenhäusern, dann grundsätzlich immer Montag morgens oder am Wochenende nachts! Immer! Ist Gesetz! 

„Kommen Sie Montag in der Früh, die Infusion dauert sieben Minuten und – Schwupps – fühlen Sie sich wie Popeye nach fünf Dosen Spinat!“

Nahtoderfahrung in der falschen Unterhose

An dem besagten Montagmorgen hatte ich meine erste echte „Grenzerfahrung“. Ich sah schon das grelle Licht am Ende des Tunnels. Zumindest bildete ich mir das ein. Es war nur die Pupillenreflex-Taschenlampe des Gastroenterologen.

Ich warnte noch: „Keine Eisen-Infusion, das macht Allergie!“ Und was soll ich Ihnen sagen? Einundzwanzig, zweiundzwanzig, direkt nach der Infusion war ich eine lebendige Quaddel. Mit akuter Luftnot und sofort ansteigendem Bluthochdruck. In Sekunden erlitt ich eine Schock-Reaktion auf das Medikament.

Da kam dann mit einem Mal Schwung in die Arztpraxis am Siebengebirge. Das volle Programm der Notfallmedizin inklusive intensivmedizinisch völlig ungeschulter Fachangestellter.

„Herr Doktor, kann man Cortison mit Kochsalz mischen? Ist das dann nicht irgendwie verdünnt? Und wo hängt noch mal der Defibrillator? Ich dachte, das wäre der Feuerlöscher?“

Aber Hauptsache, die Wände der Praxis hängen voll mit Zertifikaten über „Qualitätsmanagement“ und „Fachgerechte Händedesinfektion“. Ganz wichtig! 

Ich lag also da, schnappte nach Luft und dachte: „Das läuft ja. Jetzt kriege ich wahrscheinlich gleich multiples Organversagen und liege dann in der Pathologie mit meiner grau-weiß gestreiften Unterhose. Sollte ja heute Morgen ohne Ausziehen sein. War ja nur eine kleine Infusion geplant.“

Nach nur zwei Stunden hatte der Arzt die Situation wieder voll unter Kontrolle.

Und dann kam vorwurfsvoll von ihm: „Sie sind aber auch der erste Mensch, den ich persönlich mit so einer Reaktion auf eine harmlose Eiseninfusion sehe! Wie können Sie mich so erschrecken?!“

Also dann kein Eisen mehr aus dem Tropf. Statistisch gesehen bin ich in sieben Jahren durch mit der Problematik. Bis dahin kaue ich halt an Nägeln.

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