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Klimawandel mit Umfeldbelastung

Alle reden von Klimawandel. Ich jetzt auch. Habe es lange Zeit verdrängt, wollte nicht wahrhaben, was schon längst traurige Wirklichkeit geworden ist.

Es wird Zeit, den Tatsachen ins Gesicht zu schauen, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht beiseitezuschieben, erlebte Erfahrungen mitzuteilen. Wie lange will ich noch diese nicht vorhersehbaren Zeiten von brutaler Hitze und Eiseskälte ignorieren? Es ist bereits fünf nach zwölf und ich werde es nicht mehr aufhalten können. Ich kann so nicht weitermachen. Wie so viele andere Menschen muss ich mich der Wahrheit stellen:

Mein Klima wandelt sich! 

„Es ist Februar, es ist Nacht, wir haben draußen UND auch in unserem Schlafzimmer Minus-Temperaturen. Also mach bitte sofort die Fenster zu, sonst überleben wir die Nacht nicht.“

Mein Mann, von Haus aus ein gütiger Geselle, knurrte mich an, die Bettdecke über seinen Kopf gezogen. Das Geräusch seiner laut klappernden Zähne konnte ich trotzdem gut hören. Ich deckte ihn, ganz fürsorgliche Ehefrau, sofort mit meinem Schlafequipment aus dreiviertel Daunen zu, zwei Kissen noch obendrauf gepackt.

Nackt stand ich am weit aufgerissenen Fenster und es war mir völlig egal, welche Nachbarn sich da jetzt angewidert abwenden würden. Das war ein Notfall. Ich war in einer Sauna eingesperrt und kam nicht heraus. Zumindest fühlte es sich so an. Ich brauchte dringend Luft, und zwar sehr kalte. Noch lieber hätte ich mich nackt auf unserer Terrasse gewälzt. Aber das wäre dann vielleicht doch eine zu große Zumutung für die Nachbarschaft gewesen. 

„Ich habe Fieber. Wahrscheinlich an die vierzig Grad. Ich erwarte jede Sekunde Husten und Schnupfen.“, suchte ich nach logischen Erklärungen.

„Du hast kein Fieber. Du hast was auch immer. Ich bin kein Arzt. Aber das ist nicht normal, so viel steht fest.“

Mein Mann war sonst nicht so gesprächig. Nachts schon gar nicht. 

Ich versuchte es mit einer anderen Erklärung. „Wahrscheinlich ist der Temperaturregler unserer Heizung kaputt. Unsere Wohnung ist völlig überhitzt.“

Ungläubige Augen und rote Nasenspitze kamen unter der Decke meines Mannes zum Vorschein.

„Ist das dein Ernst? Und könntest du bitte vom Fenster weggehen? Das ist peinlich. Wenn dich jemand sieht!“

Ich brach sofort in Tränen aus. „Ach, der Herr schämt sich für mich! Sehe ich so schlimm aus? Natürlich ist meine Figur nicht mehr so wie vor zwanzig Jahren. Oder dreißig Jahren. Aber das ist doch kein Grund, mich zu beleidigen!“ Laut schluchzend verließ ich das Schlafzimmer.

Auf dem Weg in die Küche dachte ich mir einen Plan aus. In welche Stadt ziehe ich jetzt erst mal? Hier bleibe ich keine Minute länger. Hamburg hat mir immer schon gut gefallen.

Am Kühlschrank angekommen, brauchte ich auf meiner Reise erst mal Pause. Ein kleiner Snack konnte nicht schaden. Mit einem Glas Gurken in der linken Hand und einer Tafel Schokolade in der rechten schlurfte ich zurück ins Schlafzimmer.

„Warum legst du Schokolade in den Kühlschrank? Quälst du mich absichtlich? Das schmeckt doch nicht!“, schnauzte ich meinen Mann an. 

Eine Weile war es still. Und dann kam es laut unter der Bettdecke hervor: „Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen, du bist schwanger.“

Ich wusste nicht, ob meine darauffolgende Panikattacke der Auslöser für den Kälteschock war. Vermutlich. Mir war plötzlich den äußeren Umständen wie Nacht, Minustemperaturen, weit geöffnetes Fenster, nackt und kalte Schokolode im Mund, entsprechend eiskalt. Schnell zog ich meine Decke von dem Berg aus Mann und dreiviertel Daunen herunter und vergrub mich. 

Langsam dämmerte es mir. Schwanger war ich ganz sicher nicht. Hoffentlich. Das konnte nicht sein. Also, das durfte nicht sein. Schließlich waren wir deutlich über das medizinisch vertretbare Alter von Spät-Eltern hinaus. Das wäre völlig gegen jeglichen guten Geschmack und Stil gewesen.

Nein, ich hatte so einen Verdacht. „Ich gehe morgen zum Arzt, versprochen.“

Mit großem Gepolter und Getöse sprang, oder sagen wir mal „kroch“ mein Mann aus seinem Bett. „Du hast es geschafft, jetzt kann ich nicht mehr einschlafen.“

Zehn Sekunden später hörte ich ihn laut fluchen.

„Warum stellst du Rotwein in den Kühlschrank?“

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