Es muss irgendwann in den letzten Jahren einen Gesetzeserlass für Kindergeburtstags-organisierende Eltern gegeben haben: „Eltern, die für ihren Sprössling Geburtstagspartys organisieren, sind verpflichtet, den kleinen Gästen jeweils mindestens ein Gastgeschenk zu überreichen. Dabei ist streng darauf zu achten, dass sich Originalität und Wert des Geschenkes jedes Jahr steigern und es zu keinen Wiederholungen kommt. Jeder Verstoß gegen das erhobene Gesetz wird bestraft!“
Eine andere Erklärung habe ich nicht für diese Unsitte, die sich in den letzten Jahren breitgemacht hat. Warum werden Gäste eines Geburtstagskindes mit einem oder mehreren Geschenken belohnt? Für ihr Durchhaltevermögen bei Spiel, Spaß und Spannung? Um die Frustrationsgrenze der Kleinen nicht zu überschreiten? Schließlich haben sie an diesem Tag nicht Geburtstag. Und das ist kaum auszuhalten? Inzwischen machen sich viele Eltern richtig Stress mit dem passenden Gastgeschenk. Es darf nicht zu klein, nicht zu groß, nicht zu billig und nicht zu teuer sein. Schwierig.
Meine Tochter heiratet demnächst. Ich versuche wirklich, mich möglichst wenig in ihre Pläne und Vorbereitungen einzumischen. Aber als sie neulich um die Ecke kam und mich um meine Meinung zu passenden „Gastgeschenken“ für ihre Hochzeitsgäste fragte, platzte es aus mir heraus. Hochzeiten sind jetzt auch schon von dem „Geschenk-für-den-Gast-Virus“ betroffen? Das ist ja furchtbar! Meine Tochter – leicht pikiert über meinen spontanen Ausfall – erklärte mir dann, dass sie sich natürlich nicht von diesen neuen Hochzeitsbräuchen ausnehmen möchte. Was sollen die Leute denken?
Ich weiß es nicht. Was denken sie? Ist jemand ernsthaft irritiert, womöglich beleidigt, wenn man nicht zum Abschied eines großen Festes mit allen Annehmlichkeiten noch eine kleine Dose, gefüllt mit Meersalz und Thymian mitnehmen darf? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich habe mal unter Einfluss von zu viel Wein und Gesang auf einer Hochzeit einen Strauß Blumen und eine Flasche Champagner vom Geschenke-Tisch der Brautleute mitgenommen und in der Nacht noch viel Spaß damit gehabt. Am nächsten Tag bin ich selbstverständlich reumütig und verkatert mit dem Diebesgut zu Braut und Bräutigam zurückgekehrt und habe mich entschuldigt.
Ist das des Rätsels Lösung? Gäste auf Kindergeburtstagen und Hochzeiten stehlen die Geschenke? Und deshalb schenkt man ihnen lieber gleich etwas Eigenes?
Ich mache mir inzwischen nur Sorgen, dass es demnächst auch auf Beerdigungsfeiern Gastgeschenke geben wird.
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