Astrid Windgassen-Frank > streitlustige Frau

Frau Dr. Jekyll und Mrs. Hyde

Die Wechseljahre verändern nicht nur das Aussehen. Auch die Psyche leidet. Vor allem die der Angehörigen. Besonders natürlich des Partners. Inzwischen glaube ich, dass hinter jedem Diktator eine Frau in den Wechseljahren steht. Wirklich.

Irgendwie muss so ein Mann das ja kompensieren. 

Frauen in den Wechseljahren verhalten sich wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Die Verwandlung geht in Sekundenschnelle. Das ist gefährlich. Für alle Beteiligten. 

Neulich ging ich zum Beispiel ganz „normal“ zur Sparkasse, fühlte nichts Besonderes. Und plötzlich, zack, wie aus dem Nichts, schrie ich den jungen Nachwuchsbanker am Schalter an.

Gut, der Auslöser könnte natürlich gewesen sein, dass der „Tobias Funke“am Schalter während des Gespräches mit mir auf sein Handy schaute und Kaugummi kaute. Ich hätte ihn fast geschlagen.

Ich riss ihm das Handy aus der Hand und warf es in den Papierkorb. Mit Schwung. Danach gab es zwei, drei Hitzewallungen und ich habe mich wieder beruhigt. Einfach so. 

Ich werde immer ungeduldiger. Mindestens dreimal am Tag brennen mir alle Sicherungen durch. Neulich war die Eisdiele zu. Da bin ich durchgedreht.

Ich habe keine Ahnung, welche Hormone in meinem Körper Krieg und Frieden spielen. Aber es sollte bald eine Einigung geben. So ist das kein Zustand. 

Vor einiger Zeit saß mir mein Mann beim Frühstück schweigend gegenüber. Mit einer GoPro Kamera auf dem Kopf! Kennen Sie diese Kameras? Auch ein schöner neuer Trend. 

Da setzen sich Leute, meistens Männer, bei allen möglichen sportlichen Aktivitäten diese kleine Kamera auf den Helm und filmen, wie sie den Berg runterspringen, radeln, Ski fahren oder was auch immer. Das muss man sich mal vorstellen. Diese Leute schauen sich dann nach einer Stunde Mountainbiken im Wald ihren Film an.

„Guck mal da rechts, das sind mindestens hundert Bäume! Und hier links siehst du auch… viele Bäume. Und ich so mittendurch.“

Kaum zu glauben. Aber inzwischen sieht man Menschen mit einer Kamera auf dem Kopf beim gemütlichen Sonntagsausflug mit dem Fahrrad. Unglaublich. 

Jedenfalls saß mir mein Mann gegenüber, die Kamera auf mich gerichtet. Während ich noch über mögliche und passende Diagnosen aus dem Reich der Psychiatrie nachdachte, lieferte er die Begründung. Er wolle jetzt die Kamera laufen lassen und mir hinterher einen sekundenschnellen Stimmungsumschwung meinerseits zeigen. Er meinte, wir könnten den Film zu wissenschaftlichen Zwecken an den Hausarzt und auch an meine Gynäkologin schicken.

Ich schlug vor, einen Gartenschlauch an die Kamera anzuschließen und mit diesem selbstgebastelten Endoskop eine Darmspiegelung bei ihm durchzuführen.

Diesen Film könnten wir sowohl an seinen Hausarzt schicken als auch auf YouTube hochladen. Oder ich könnte ihn als kleine Einlage bei der nächsten Familienfeier vorführen. 

© Foto traimakivan | Envato Pty Ltd.