Astrid Windgassen-Frank > Haare schön

Du hast die Haare schön

Wenn gar nichts mehr geht gegen die Depressionen der Wechseljahre, dann hilft nur noch eins: Ab zum Friseur! Das kennt jede Frau. Je nach Ursache der schlechten Gefühlslage gibt es den passenden Haarschnitt: Die verlassene Frau braucht sofort den „Ich-mach-das-allein-wozu-brauch-ich-einen-Mann-Kurzhaarschnitt“. Zack, ab die Haare, raspelkurz. Aber Vorsicht! Sieht bei den meisten gar nicht mal so gut aus. 

Die Frau, die verlassen hat und auf der Suche nach der großen Liebe ist oder einfach nur ein paar One-Night-Stands erleben möchte, braucht die „sexy-verruchte-lange-Mähne-mit-Extension-Strähnen-in-Rot-Frisur“.

Irgendwann im Leben vieler Frauen kommt noch eine relativ kurze „Braut-mit-Hochsteckfrisur-Phase“. 

Warum sich viele Bräute die Haare lang wachsen lassen, um sie dann zu einem strengen Nonnenknoten unter dem Schleier verstecken zu lassen, habe ich bis heute nicht verstanden.

Nach der Hochzeit folgt häufig die erste Mutterschaft. Junge Mütter erkennt man immer an ihrer Frisur. Viele mutieren zurück in die Grundschulzeit. Man trägt nur noch Zöpfe in allen Variationen. Zopf im Nacken oder Pferdeschwanz. Weil es unpraktisch ist, wenn einem selbst und auch dem Baby die Haare ins Gesicht hängen. Ist blöd beim Stillen.

Wenn sich junge Mütter abends schick machen für den „wir-müssen-unbedingt-mal-wieder-was-zu-zweit-machen-Abend“, dann erkennt man sie an der Frisur. Sie lassen die Haare offen, sind aber mittlerweile so genervt von den Haaren im Gesicht, dass sie sich die ohnehin schon gesplisste Strubbelfrisur mit dem Reif aus dem Gesicht schieben. Achtung, liebe junge Mütter, das findet nicht Jeder sexy. Chorleiter und Pfarrer vielleicht.

Dann kommen ein paar Jahre, in denen man die Frisur einfach der Mode anpasst. Man versucht es zumindest. Ich auch. Allerdings häufig erfolglos. Es war jedes Jahr der gleiche Mist. Irgendwann hieß es dann zum Beispiel „Kinnlanger Bob!“ Sehr gut! Wer wollte nicht die Dauerwellen aus den Achtzigern samt Fotos vernichten? Ich schwöre, ich sah damals aus wie ein explodierter Atompilz. Wickler und stinkende Tinktur gehören ins Endlager für Sondermüll.

„Damit kann ich leben, glatter kinnlanger Bob“, dachte ich.

Doch dann kam die Friseurmafia. Keine zwei Monate später verkündeten sie den neuen Frühjahrstrend:

„Lange Mähne, strähnig mit Glätteisen – total hip.“

Danke, Jennifer Aniston! Wie soll man in acht Wochen vierzig Zentimeter Haare wachsen lassen? Und gehen Sie mir weg mit Extension. Das sieht so natürlich aus wie die Haare von Käthe-Kruse-Puppen.

Ach, was hatten wir in den letzten Jahren für Frisuren! Da gab es den Bob mit Stufe. Erinnern Sie sich noch? Alle hatten plötzlich hinten im Nacken eine Kante. Zack, wie mit der Heckenschere reingefräst.

Eine Zeit lang wurden die Haare stumpf geschnitten, alles auf den Millimeter genau, der klassische Bob. Frauen wie ich, damals hatte ich noch viel dickes Haar, sahen dann aus wie Mireille Mathieu. Also ich auf jeden Fall. Nur ohne Pony. Ich hatte rechts und links so viel Haar, dass man mein Gesicht nicht mehr sehen konnte. Und nicht jeder ist mit großen, abstehenden Ohren gesegnet. Was sehr hilfreich ist, um die Haare dahinter zu klemmen.

 Die Rettung war dann der Seitenscheitel, der gerade in Mode kam. So konnte ich wenigstens mit einem Auge sehen. 

Und dann kam sie: Meg Ryan in „E-Mail für dich“! Weltweiter Aufruhr unter den Friseuren. Sie erfanden eine neue Schnitttechnik für Stufen. Sie wurden nicht mehr quer, sondern längs geschnitten. „Fedrig“ hieß das neue Zauberwort. Galt Spliss früher als Todsünde, wurde er nun quasi reingeschnitten.

Meine Friseurin nahm ein Rasiermesser und raspelte die einzelne Haarsträhne entlang. Ich starb jedes Mal tausend Tode. Zu Recht. Die Haare sahen danach kaputt aus, wie verbrannt. „Ist aber hip. Muss so sein. Fällt ganz natürlich“, versuchte die Gute mich dann immer zu beruhigen.

Strähnchen! Wenn sich zwei Frauen über ihren nächsten Friseurtermin unterhalten, dann fragt die eine: „Was lässt du dir machen?“ Und die andere antwortet nur: „Strähnchen“. Damit ist alles gesagt.

Man sitzt da wie in der alten Sendung „Mein Onkel vom Mars“ mit Antennen aus Alufolie auf dem Kopf und lässt sich Strähnchen machen. Und damit es „natürlich“ aussieht, macht die Friseurin den neuen Look in allen unterschiedlichen Farben und Schattierungen. Am Ende sehen die Haare aus wie das Fell eines Rosettenmeerschweinchen. Ganz natürlich.

Blättern Sie beim Friseur auch immer in den Frisurenbüchern? Das ist eine Freak-Show. Ich sage nur „asymmetrisch“. Wer bitte soll das tragen? Da sind Frisuren abgebildet, die aussehen wie Bastelanleitungen von Schultüten.

Das ist genau wie die Klamotten auf den Modeschauen von Prüda, Gukki, Chanal, Miau Miau oder so ähnlich. Wer soll das tragen? Da führt eine Vierzehnjährige, die sich von mit Orangensaft getränkten Wattebäuschchen und einer Prise Koks ernährt, ein Kleid aus Straußenfedern in Größe Zero vor. Wenn ich das in meiner Größe tragen würde, sähe ich aus wie Bibo aus der Sesamstraße.

Und so ist das auch mit den Frisuren. Manches geht einfach nicht. Ehrlich! Frauen wissen das. Es wäre schön, wenn sich das auch bei Frisurenerfindern und Klamottendesignern herumsprechen würde.

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